Mittwoch, 4. März 2009

Web 2.0 in der Ausbildung?

Unter dem Titel Web 2.0 in der Ausbildung präsentierte Frank Calberg (http://www.frankcalberg.com/) seine Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Einsatz von Web 2.0 Technologie an der Kalaidos Fachhochschule (vgl. http://www.slideshare.net/frankcalberg). Die angeregte Diskussion hat mir u.a. gezeigt, dass für den Einsatz der Web 2.0 Technologie in der Hochschulbildung mehrere Voraussetzungen gegeben sein müssen: (1) Den Studierenden muss eine neukonzipierte Lernarchitektur zur Verfügung gestellt werden. Der Einsatz von purer Technologie reicht dabei nicht aus. Diese Lernarchitektur muss so didaktisiert sein, dass die gesetzten Lernziele auch ohne aktive (frontale) Steuerung der Dozierenden erreicht werden können. Wie diese Lernarchitektur auszusehen hat und welches die kritischen Erfolgsfaktoren sind, ist noch wenig bekannt und verlangt von den Dozierenden etwas Mut und Entdeckergeist. (2) Die Studierenden, Dozierenden und vor allem die Hochschulen müssen einen Paradigmenwechsel vollziehen, und zwar hin zu einer postmodernen Konzeption von lernen und lehren, die auf Freiraum für Experimente beruht. Wie dieser Wechsel in einer Welt von staatlichen Auflagen, gegebenen Marktkräften, althergebrachten Qualitätskriterien, hierarchischen Strukturen und den fest verankerten Schulerfahrungen aus dem letzten Jahrhundert der Dozierenden und Studierenden vollzogen werden kann, ist eine weitgehend offene Frage. Hier gilt es anzusetzen, Innovationschampions einzubinden, welche diesen Change- und Innovationsprozess treiben und die neuen Chancen nutzbar machen. Hier liegt auch unsere Chance als Fachhochschule als, First Mover den Wettbewerb um die Studierenden von morgen zu gewinnen.

13 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Ich bin mit dir einverstanden, Jürg, dass die Diskussion unter den Teilnehmenden sehr gut war. Ich möchte gern Allen danken, dass ihr so toll mitmacht. Das ist super.

Unknown hat gesagt…

Mich wundert es aber, weshalb das Interesse der Dozierenden relativ gering ist. Kann es daran liegen, dass das Unterrichten mit Web 2.0 Unterstützung nicht mehr heisst, Dozierendenfragen in Studierendenfragen zu transportieren? Dass eine Umkehrung stattfindet und Studierendenfragen neu ins Zentrum rücken, was für die Dozierenden zur permanenten Herausforderung - und allenfalls Überforderung – wird?
Haben wir mit Web 2.0 die einmalige Chance eine neue durch Web 2.0 induzierte „Didaktik“ einzuführen? Eine Didaktik, die praxisorientiert und nicht der Todfeind alles Lebendigen ist, wie es Armin Schildknecht im Roman Schilten von Hermann Burger ausdrückt?
Was ist nun zu tun, um der Didaktik 2.0 mächtig zu werden?

Ugo Merkli hat gesagt…

Web 2.0 und dessen "Kinder" werden vor den "Schulstuben" nicht Halt machen. Der Hauptgrund weshalb das noch wenig der Fall ist, hat wohl schlicht damit zu tun, dass die älteren Dozenten mit Web 2.0-Instrumenten wenig vertraut sind und sich daher eher nicht auf Experimente einlassen mögen. Die Befürchtung, dauerhaft offene Kanäle könnten zu einer Überlast führen, mag mit ein Grund sein, die Hände von Blog,Wiki&Co. zu lassen.
An eine neue Web 2.0-Didaktik mag ich nicht glauben. Lernerzentrierte Dozierende schaffen es schon heute, Kompetenzorientierung, Humor, Spannung etc. zu einem "Gesamtwerk" zu verbinden, das begeistert. Mag sein, dass Web 2.0 das Aussterben egomaner Selbstdarsteller beschleunigen würde, aber ich bin mir nicht so sicher. Blogs brauchen ja von denjenigen, die sie einrichten, ein gerüttelt Mass an Selbstdarstellung, nicht wahr?
Was tun? - Ich würde mir trotz aller kritischen Anmerkungen wünschen, dass die Kalaidos Fachhochschule Schweiz das Notwendige unternimmt, um in der Nutzung dieser Werkzeuge führend zu sein und als führend wahrgenommen zu werden. - Wenn das kein frommer Wunsch bleiben soll, sind die Verantwortlichen eingeladen, sich zu überlegen, wie "Diffusion" und "Penetration" beschleunigt und intensiviert werden können. Die Bewegung "von unten" kommt sicher, aber sie ist zu langsam, wenn man führend sein will.

Kalaidos Fachhochschule hat gesagt…

Die Didaktik 2.0 unterscheidet sich aus meiner Sicht von der „klassischen“ Didaktik dadurch, dass die Unterrichtseinheiten bei gleichen Lernzielen vollständig neu gestaltet bzw. geplant werden müssen. Die Studierenden übernehmen mehr Selbstverantwortung und gestalten den Unterricht prägend mit. Die Prinzipien der Offenheit und Kommunikation werden dabei zur notwendigen Voraussetzung. Die Dozierenden erhalten mit Web 2.0 also neue Gestaltungsmöglichkeiten, die mit den darunterliegenden Prinzipien stimmig sein müssen, um die gesetzten Lernziele erreichen zu können.
Um die Diffusion neuer Unterrichtsformen mit dem Einsatz neuer Technologien zu fördern, muss die zentralen Planung und Kontrolle durch die Förderung der dezentralen Selbstverantwortung (auch der Dozierenden) ersetzt werden. Hierzu braucht es den Mut, die Kontrolle aufzugeben. An ihre Stelle tritt das komponieren institutioneller Settings, die es den Studierenden und Dozierenden erlaubt, flexibel und den individuellen Bedürfnissen entsprechend, zu lehren und lernen. Es sind also die neuen Spielregeln, die es braucht, um die Dynamik der Studierenden, Dozierenden und der Technologie in die gewünschten Bahnen zu lenken. Das scheint mir die erste und vordringlichte Aufgabe zu sein, und zwar bevor die Diffusion von Web 2.0 „erzwungen“ wird.

Unknown hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Unknown hat gesagt…

@ Jürg: Du schreibst z.B. Folgendes: „Um die Diffusion neuer Unterrichtsformen mit dem Einsatz neuer Technologien zu fördern, muss die zentralen Planung und Kontrolle durch die Förderung der dezentralen Selbstverantwortung (auch der Dozierenden) ersetzt werden.“

Ein Beispiel der dezentralen Selbstverantwortung war, finde ich, was beim interessanten Innovation Workshop am letzten Samstag, den 7. März passierte. Siehe http://www.iemagazin.com/?p=952

In kleinen Gruppen wurden Ideen mit großem Engagement entwickelt. Kleine Konzepte wurden für Bernina erstellt und präsentiert. Die Freiheit, die die Teilnehmende hatte, resultierte in hohe Motivation, tolle Teamstimmung und gute Ergebnisse.

Unknown hat gesagt…

@ Ugo: Ich denke du hast Recht, dass Entwicklung von Allen Seiten initiiert werden muss um Entwicklung gut zu fördern. D.h. es wäre super, wenn so viele Personen wie möglich (externe und interne), die verschiedenen Aufgaben lösen, teilnehmen würden. Je mehr Personen mit unterschiedlichen Kompetenzen, die z.B. auf diesem Blog teilnehmen, je mehr wird Innovation gefördert - was die Ausbildungsteilnehmende / Kunden zu Gute kommen wird.

Unknown hat gesagt…

Ich habe eine Frage an euch:

Wie sollen LehrerInnen / Dozierende entlöhnt werden, wenn Web 2.0 Tools in der Ausbildung angewendet werden. Hat jemand, der/die mit Honorar-/Lohnmodelle arbeitet, Inputs dazu?

Unknown hat gesagt…

Web 2.0 ruft eine Didaktik 2.0 und diese ein Honorierungssystem 2.0 hervor. Ich bin jedoch nicht sicher, wie die Leistungen von den Dozierenden korrekt abgegolten werden können. Welche Leistungen der Dozierenden sollen honoriert werden? Wie soll die Leistung korrekt gemessen werden? Mit der Einführung von Verwendung von Web 2.0 und der Didaktik 2.0 verliert die Honorierung aufgrund des institutionalisierten Kulturkapitals (z.B. Bildungsabschlüsse) sowie die Bewertung der Studierenden für eine gewisse Periode an Bedeutung. Wie bei der Einführung jeder Innovation, sind es auch hier die Early Adapter, welche viel in die Verwendung der Web 2.0 Technologie im Unterricht investieren und dabei auch einen wesentlichen Beitrag zur Diffusion der Innovation beitragen. Diese Investitionen sowie die Förderung der Innovation durch ihre Anwendung muss honoriert werden. Das heisst, ein Honorierungssystem muss – zumindest bis die Innovation ein Common Good ist – das Wissen und die Erfahrung der Early Adapter berücksichtigen und entsprechend abgelten. Für die laufende Betreuung der Studierenden, mit Hilfe des Web 2.0 Instrumentariums, könnte eine Microhonorierung eingeführt werden. Für jede „Web 2.0 Bearbeitung“ wird, z.B. abhängig vom Tool, ein Betrag der entsprechenden betreuenden Person gut geschrieben. Somit hätten die Dozierenden den Anreiz, eine ausführliche Betreuung anzubieten. Das Konzept könnte soweit gehen, dass für jedes Modul ein Betrag zur Verfügung steht, den auch mehrere Dozierende – allenfalls sogar (akkreditierte) Externe – „anzapfen“ könnten. Die Studierenden könnten (zusätzlich) über ein Reputationssystem auf das Dozierendenhonorar Einfluss nehmen. Die Studierenden bewerten die Dozierenden. Der so entstehende Reputationsindex könnte dann als Multiplikator bei der Honorierung verwendet werden. Mit diesem dezentralen System sollten die Anreize für alle so gesetzt sein, dass sie den Lehr- und Lernfortschritt fördern. Wie siehst Du das Frank?

Unknown hat gesagt…

Ich deine Gedanken sehr interessant, Jürg. Als ich lese, was du schreibst, komme ich auf folgende Inputs:

Erstmals finde ich deinen ersten Satz sehr gut formuliert: "Web 2.0 ruft eine Didaktik 2.0 und diese ein Honorierungssystem 2.0 hervor."

In dieser Verbindung macht es, so wie ich es unmittelbar sehe, immer weniger Sinn in unserer Welt LehrerInnen / Dozierende / Coaches / Moderatoren / Facilitatoren / WissensmitarbeiterInnen für Lektionen von 45 Minuten in einem physischen Ort zu entlöhnen. Ausbildung findet immer mehr in verschiedenen Orten und auf verschiedenen Zeiten statt – nicht mindestens aufgrund des Internets, mobiles Breitband und verschiedener mobilen Geräten.

Zu deinem Satz „bis die Innovation ein Common Good ist“ bin ich auf folgenden Gedanken gekommen: Wir leben in einer Zeit mit relativ großen Veränderungen. Denke nur an die Kommunikationstechnologien, worüber wir hier schreiben. Diese Technologien werden einen immer größeren Einfluss auf wie wir miteinander arbeiten haben. D.h. „bis die Innovation ein Common Good ist“ ist vielleicht ein veralteter Begriff? Wir müssen uns vielleicht gewöhnen immer wieder neue Möglichkeiten zu suchen. Mit anderen Worten: Innovation / Entwicklungsorientierung / Denken an Erneuerungsmöglichkeiten ist ein normaler Teil vom Alltag von jeder Person. Jede Person – auch Studierende / Ausbildende - hilft mit neu zu denken und damit laufende Erneuerung zu fördern. 2 Beispiele: Ein Teilnehmer / eine Teilnehmerin / ein Studierende könnte vielleicht fragen: Warum sitzen wir in der Schule in langen Reihen hinter einander? Studierende, Dozierende oder Forschungsmitarbeitende könnten sich vielleicht fragen: Wie viel Sinn macht es, dass Studierende immer noch ihre Projektarbeiten / Masterarbeiten drucken? Wie sinnvoll ist es für die Umwelt, um Kosten zu reduzieren, um Platz zu sparen, um neue Technologien anzuwenden?

Unknown hat gesagt…

Web 2.0 hat viel mit Zusammenarbeit zu tun. Wir helfen einander immer kompetenter zu werden. Alle machen mit. Gleichzeitig ist Individualisierung ein Trend – auch in Aus-/Weiterbildung. So finde ich es sehr gut die Studierende / Ausbildungsteilnehmende zu involvieren, d.h. fördern dass Menschen, die bei verschiedenen Ausbildungen teilnehmen, aktiv sind / mitmachen / Selbstverantwortung übernehmen. Je mehr eine Person mitmacht/teilnimmt, je mehr lernt diese Person. In dieser Verbindung habe ich Folgendes gelesen:

„Lernen, zumindest ein bewusst wahrgenommenes, intentionales Lernen, ist eine Handlung und damit
auch bis zu einem gewissen Grad stets selbstreguliert (vgl. Boekaerts, Pintrich & Zeitner, 2000).“

Quelle: Reinmann, Gabi: Selbstorganisation im Netz – Anstoß zum Hinterfragen impliziter Annahmen und Prämissen. http://www.imb-uni-augsburg.de/files/Arbeitsbericht_18.pdf

“Studies are designed in a way that they enable students to assume responsibility for their own learning.”
Quelle: Principles for designing and arranging studies at Copenhagen Business School.
http://frontpage.cbs.dk/ll/engelske%20tekster/Learning%20strategyWEB.pdf

Dass die Teilnehmende aktiv werden kann auch in einem kreativen Sinn verstanden werden. Schau Mal hier wie Studierende von HEC Montréal der Welt ihre Schule zeigen. Das Video dauert etwa 5 Minuten: http://www.youtube.com/watch?v=BID434JaYmk

Eine Idee: Wie wäre es, wenn Studierende / Ausbildungsteilnehmende die Ausbildungsleistungen wie z.B. Masterarbeit machen, Projekte machen entlöhnt werden. Und wie wäre es, wenn die Coaches / LehrerInnen / Dozierende / Moderatoren von den Unternehmen, für welche die Ausbildungsteilnehmende / Studierende arbeiten, entlöhnt werden? Mit diesen 2 Initiativen könnte man fördern, dass die Studierende sich noch mehr in ihre Ausbildung involvieren sowie fördern, dass Coaches / LehrerInnen / Dozierende / Moderatoren noch mehr Fokus darauf haben Mehrwert für die Unternehmen, für welche die Ausbildungsteilnehmende / Studierende arbeiten, zu schaffen.

Unknown hat gesagt…

Zum Thema Entlöhnung schreibt Gary Hamel in diesem Blogeintrag vom 24. März mit dem Titel “The Facebook Generation vs. The Fortune 500“ Folgendes:

“Intrinsic rewards matter most. The web is a testament to the power of intrinsic rewards. Think of all the articles contributed to Wikipedia, all the open source software created, all the advice freely given - add up the hours of volunteer time and it’s obvious that human beings will give generously of themselves when they’re given the chance to contribute to something they actually care about. Money’s great, but so is recognition and the joy of accomplishment.”

Quelle: http://blogs.wsj.com/management/2009/03/24/the-facebook-generation-vs-the-fortune-500/

Ein Problem ist, dass man mit “recognition and the joy of accomplishment” in keinem Supermarkt, den ich kenne, Lebensmittel kaufen kann ;-)

Vielleicht wäre es eine Idee mehr mit Offenheit bei Löhnen / Honoraren zu arbeiten? So können Menschen erfahren, wie groß die Lohn Spannweite in Unternehmen sind. Beispiele:
http://www.bilanz.ch/media/download/BIL_0309_024_finanzbranche.pdf
http://www.bilanz.ch/media/download/BIL_0309_024_industrie.pdf
http://www.bilanz.ch/media/download/BIL_0309_024_wirtschaft.pdf

Wenn jede Person weißt, wie viel andere Personen, die auch daran arbeiten das "Company purpose" zu erfüllen, verdienen, könnte jede Person sich dann beispielsweise folgende Fragen stellen:
- Inwiefern schaffe ich x Mal mehr / weniger Wert für Kunden als diese oder diese Person?
- Wie klein/groß soll der Unterschied in Löhnen / Honoraren sein um Zusammenarbeit maximal zu fördern?

Unknown hat gesagt…

Hier ein Artikel zum Thema: „IDEO’s Ten Tips For Creating a 21st Century Classroom Experience”

http://www.metropolismag.com/story/20090218/ideos-ten-tips-for-creating-a-21st-century-classroom-experience